Die Frage nach dem Vorbildcharakter im Klimaschutz – Statement von Stadtrat Dr. Martin Modlinger

Am 13. Juni 2023 wurde im Dachauer Stadtrat ein Klimaschutzkonzept und ein energie- und klimapolitisches Leitbild beschlossen, wonach die Stadt Dachau bis zum Jahr 2040 klimaneutral sein soll. Es ist gut, dass dieses Konzept und Leitbild gemeinsam von allen demokratischen Parteien beschlossen wurde (nur die zwei Herren der braunen Partei waren dagegen, wie zu erwarten). 

Wir aus der Grünen Fraktion hatten aber mehrere Änderungen dazu beantragt, die nach längerer Diskussion im Stadtrat mehrheitlich abgelehnt wurden. Lediglich das Bündnis für Dachau hat mit uns gestimmt (und wir dann mit dem später ebenfalls abgelehnten Vorschlag des Bündnisses). Diese Diskussion war wichtig, denn etwas derartig bedeutendes wie das Klimaschutzkonzept und das klimapolitische Leitbild gehört im gesamten Stadtrat offen diskutiert. Dennoch will ich nochmals erklären, worum es uns ging und weiterhin geht. Das mag ein längerer Text werden.

(1) Die Maßnahmen des vorliegenden Klimaschutzkonzepts sind nur ein erster Schritt – es braucht mehr.

Wir sind dem INEV, dem Institut, das die Erstellung des Klimaschutzkonzepts wissenschaftlich und organisatorisch begleitet hat, äußerst dankbar für die Erhebung grundlegender Daten, für das Beziffern verschiedenster Potentiale erneuerbarer Energien und für die Erstellung eines Maßnahmenkatalogs in vier zentralen Säulen. Wir haben damit die Daten- und Faktenbasis für Klimaschutz in der Stadt Dachau. Gut ist auch, dass wir damit ein Maßnahmenpaket haben, das umgesetzt werden kann und muss. Und gut ist es, dass wir Herrn Dr. Suck als Klimaschutzmanager haben, dessen Aufgabe genau diese Umsetzung ist. 

Aus unserer Sicht aber ist das nur ein erstes Maßnahmenpaket. Das hatten auch die im Klimaschutz aktiven Gruppen in der Stadt bei der öffentlichen Vorstellung des Konzepts durch Prof. Bücker dankenswerterweise mehr als deutlich gemacht. Natürlich müssen diese Maßnahmen des vorliegenden Konzepts allesamt umgesetzt werden, aber es braucht weitere Ideen und weitere Maßnahmen, wenn wir Klimaneutralität wirklich erreichen wollen, egal auf welchen Zeitpunkt die Klimaneutralität zielt. Da sind alle Parteien im Stadtrat gefordert. Alle stehen hier in der Verantwortung, sich mit Ideen einzubringen, die in der Stadt und durch die Stadt umgesetzt werden können mit dem Ziel der Klimaneutralität. Wir werden das tun, aber auch niemand sonst darf sich da zurücklehnen.

(2) Ein Klimaschutzkonzept mit Vorbildcharakter ist ambitionierter.

Es braucht also mehr Maßnahmen, es braucht aber auf jeden Fall ein Leitbild, das dem Vorbildcharakter der Stadt Dachau als Kommune gerecht wird. Im Bayerischen Klimaschutzgesetz heißt es ja „Klimaneutralität spätestens bis zum Jahr 2040“ – mit besonderer Vorbildfunktion für die Kommunen. Wenn beispielsweise Ministerien bis 2023 und andere Behörden laut Klimaschutzgesetz bis 2028 klimaneutral sein sollen, dann erfüllen wir sicher nicht unsere Vorbildfunktion in der Stadt Dachau, wenn wir auf das Minimalziel 2040 gehen. Denn genau das ist es: 2040 ist der spätestmögliche Zeitpunkt laut Bayerischem Klimaschutzgesetz. Und vorbildhaft ist man sicher nicht, wenn man auf das Minimum setzt.

Deswegen wollten wir ein anderes Ziel im energie- und klimapolitischen Leitbild der Stadt Dachau festschreiben. Wir wollten das Jahr 2033 als Ziel setzen. Das ist in zehn Jahren. Damit nähmen wir die Vorbildfunktion der Stadt ernst und setzten ernsthaft das um, was das Bayerische Klimaschutzgesetz als Ziel benennt: „in Verantwortung für kommende Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren.“ Und genau darum geht es ja eigentlich: um unsere Lebensgrundlagen und die Lebensgrundlagen kommender Generationen. Wir haben nur diese eine Natur und Umwelt, in der wir leben. Wenn wir die nicht schützen, wenn wir das Klima nicht schützen, dann sägen wir an unser aller Zukunft.

(3) Die stadteigenen Betriebe können und müssen ihre besondere Rolle nutzen.

Die Eigenbetriebe der Stadt Dachau, insbesondere die Stadtwerke Dachau, könnten sehr viel tun, um die Energiewende und Klimaneutralität in der Stadt Dachau zu beschleunigen.
Es ist z.B. zwar sehr gut, dass wir nun ein Solarkataster in der Stadt Dachau haben, so dass alle Bürger*innen mit freiem Hausdach nun genau wissen, wo sie wie solare Energie nutzen können. Das Problem ist nur: die einzelnen Haushalte werden hauptsächlich für den Eigenbedarf planen, deswegen vielleicht das Dach nur halb voll machen. Die Stadtwerke dagegen könnten für den Gesamtbedarf der Stadt Dachau planen. Sie könnten den Bürger*innen entsprechende Angebote für Solaranlagen machen und sich einen Geschäftszweig aufbauen, auf den manch anderer neidisch wäre. Wir hätten dies sehr viel lieber in den Händen der Stadtwerke als von irgendwelchen Investoren von andernorts. Dann bleibt nämlich auch dieser Ertrag vor Ort.

(4) Reden wir von Investitionen, nicht nur von Kosten.

Generell: Es ist völlig klar, dass Klimaschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist. Dass es etwas kostet, etwas zu verändern. Dass wir hier von massiven Investitionen sprechen, wenn z.B. städtische Gebäude klimaneutral werden sollen. Und selbstverständlich wären Kommunen in einer weitaus besseren Situation, wenn Klimaschutz und Klimaanpassung kommunale Pflichtaufgaben wären – denn dann wäre von übergeordneten Stellen auch das notwendige Geld zur Verfügung zu stellen. Deswegen fordern wir auch genau das in unserem Grünen Landtagswahlprogramm. 
Aber in jedem Fall reden wir von Investitionen. Von ökologischen und finanziellen Investitionen, die sich ebenso ökologisch und finanziell auszahlen werden. Es wird ja nicht billiger, diese Investitionen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben – im Gegenteil: je früher wir umstellen z.B. auf erneuerbare Energien in Verkehr, Heizen und Strom, desto früher sehen wir auch die Erträge. Gerade auch die finanziellen Erträge. Der beste Zeitpunkt für diese Investitionen wäre wohl vor zehn oder zwanzig Jahren gewesen – der zweitbeste Zeitpunkt ist jetzt.

Wenn Geld aus Dachau nicht mehr in Öl- und Gasdiktaturen fließt, sondern das Geld über Sonne und Wind zu uns kommt, dann haben wir doch damit mehr finanzielle Freiheit, nicht weniger. Dazu noch ein kleines Beispiel: Jedes Jahr werden laut INEV-Bericht in der Stadt Dachau 500.000 MWh fossile Energie allein für Wärme verbraucht. Buchstäblich verbrannt. Wenn wir den heutigen Gaspreis dafür zugrunde legen (9ct /kwh), der übrigens schon wieder weit unter dem Preis zu Beginn des Ukrainekriegs ist, sind das € 45.000.000 pro Jahr, die in dieser Stadt verbrannt werden. Oder in anderen Maßstäben: gut zwei Hallenbäder pro Jahr. Dieses Geld hätte ich gerne in Dachau, nicht in Moskau.

(5) Und nach abgelehntem Antrag? Weitermachen.

Unsere Vorschläge wurden aber mehrheitlich abgelehnt. Und nun? Weitermachen. Nun gilt das Ziel Klimaneutralität im Jahr 2040 – für das wir nach Ablehnung unseres Antrags dann auch gestimmt haben. Den Konsens zum Klimaschutz in Dachau gibt es weiterhin und das ist gut so. Und wir glauben den anderen Stadträt*innen, die unseren Antrag mit dem Argument abgelehnt haben, lieber auf 2040 zu zielen und dann zu sehen, was doch noch schneller geht. Wir werden weiterhin daran arbeiten, dass Dachau so früh wie möglich klimaneutral wird. Wir hoffen, dass auch die anderen demokratischen Fraktionen allesamt den Blick vom „was alles nicht geht“ zum „was geht“ verschieben. Wir müssen nicht alles selbst erfinden, vieles funktioniert bereits in anderen Städten. Nur tun müssen wir es, die Zeit fürs Warten ist vorbei. 

Dr. Martin Modlinger, Stadtrat und Sprecher des Ortsverbands Dachau
Dachau, 13.06.2023